Besprechung aus dem Reutlinger Generalanzeiger vom 7.5.13 von Hans-Dieter Werner
zu unserem Konzert "Nachtgesänge" am 5.5.13 in der Kath. Kirche St. Wolfgang Reutlingen
(mit freundlicher Genehmigung des Verlags):

Konzert – Philharmonia Chor Stuttgart zu Gast
Erlesener Gesang

Reutlingen. Allmählich senkt sich die Dämmerung an diesem Sonntagabend auch über
St. Wolfgang. Die farbigen Fenster im Chor werden blasser. Abendstimmung. Das Licht zieht sich zurück. Aber es bleiben die Leuchtkraft, die Farbigkeit und die Klarheit im Singen des Philharmonia Chors Stuttgart, der mit seinen „Nachtgesängen“ den Raum mit Wärme, mit einem feinen poetischen Klang und auch ein wenig mit dem Geheimnis und dem Gottvertrauen des zur Ruhe gehenden Menschen erfüllt hat.
Unter der formenden, Innigkeit und Weiträumigkeit umfangenden Leitung von Johannes Knecht entfalteten die Gäste aus Stuttgart erlesenen A-cappella-Gesang, dessen Reinheit und Maß eine Größe für sich darstellen. Auch deswegen, weil die Schönheit dieses aus einem Atem schöpfenden Klangs so substanzreich ist, dass sie vom Fortissimo bis zum Pianissimo trägt und Bestand hat.
Die Werke der alten Meister wie Bach, Schein, Franck und Schütz erklingen ganz von innen. Völlig druckfrei im Ausdruck. Dabei lebendig und auch spannend in einem handelnden Klang wie in dem Beispiel aus den Cantiones sacrae von Heinrich Schütz.
Bei den Romantikern, Rheinberger, Reger und auch Rachmaninow, breitet der Chor Wohlklang aus. Bleibt dabei schlank und überdehnt den Ausdruck keineswegs, sondern findet die Mitte zwischen Innerlichkeit und Feierlichkeit. Der Satz aus Rachmaninows „Großem Morgen- und Abendlob“ besitzt strahlende Pracht und neigt sich am Ende in eine fast schon entrückte Stille.

Stilistische Kompetenz


Auch bei den Gesängen aus moderner Zeit beweist der Chor hohes Können und eine begeisternde stilistische Kompetenz. Kodalys „Abendlied“ strömt zart und leicht und hellfarbig dahin – in einer perfekten und dabei völlig gelöst wirkenden Balance zwischen Frauen- und Männerstimmen. In Ligetis „Nacht“ und „Morgen“ wird die Gestaltungskraft des Chores zum Erlebnis: Sein vitales Hochschrauben des Klangs. Sein Verharren in einem fast tonlosen Grau. Sein stimulierendes Jauchzen. Und bei all dem steht seine Intonation völlig sicher.
Die Gesänge von Theodorakis versteht der Chor als gesungene Gebete. Gibt sie berührend menschlich wieder. Klagend. Anklagend. Hart und demütig mild. Wie auch die drei nächtlichen Nocturnes von Peter Klatzow nach dem „African Prayer Book by Desmond Tutu“, die vom Philharmonia Chor klangvoll sanft, mit warmem Ausdruck und erfrischend in den reichen Farbmischungen präsentiert wurden. Sinnlich und sinngebend zugleich.
Gedichte zum Thema Abend und Nacht, vorgetragen von Johannes Knecht und einigen Sängerinnen, brachten die lyrische Nähe in dieses Programm, das mit Musik und Sprache, mit Stimme und Stimmung dem Begriff „Harmonie“, für den der Chor mit seinem Namen bürgt, gerecht geworden ist. (hdw)